Stellen Sie sich bitte zuerst vor!
Ja, mein Name ist Maryna Bocharova, ich komme aus der Ukraine, aus Charkiw.
Wie haben sie den Beginn des Kriegs erlebt?
Meine Geschichte beginnt am 24.02.2022 um halb 5. Ich wurde um wach, weil ich Explosionen hörte. Der Bruder meines Mannes rief an und sagte uns wir sollen aus dem Fenster schauen. Als wir das taten, sahen wir eine ganze Kolonne Panzer auf der Straße. Ich hatte große Panik vor dem was passieren würde. Ich hörte den ersten Luftalarm (Air Raid Signal), das war wirklich furchtbar.
Wie haben sie darauf reagiert?
Wir sammelten Rucksäcke mit den wichtigsten Sachen. Die Kolonne Panzer war da schon in der Stadtmitte von Charkiw, wir hörten viele Explosionen von dort. Im Fernsehen sahen wir eine Rede von präsident Zelensky, der sagte dass der Krieg begonnen hat. Erst blieben wir zuhause. Dann versteckten wir uns im Keller unseres Hauses und verbrachten die ganze Nacht dort. Das war die erste Nacht im Keller. Im Keller waren auch alle unsere Nachbarn, viele Senioren und kleine Kinder, auch viele Haustiere waren in den Keller gebracht worden. Wir blieben viele Nächte im Keller, immer auf dem Boden.
Was hat sie letztlich dazu gebracht zu fliehen?
Eine Rakete traf das Haus des Bruders meines Mannes, weshalb sie zu uns ins Haus zogen. Ende März entschieden wir, Ukraine zu verlassen, der Grund war eine Rakete die Nachts unser Haus traf.
Wie verlief die Flucht?
Ich und meine Schwiegereltern packten noch die wichtigsten Dinge im Haus zusammen. Am frühen Morgen gingen wir zum Bahnhof und nahmen einen Zug nach Uschhorod. An der Grenze nahmen wir den ersten Bus nach in die Slovakei. Freiwillige versorgten uns dort und wir blieben die ganze Nacht an der Grenze. In Deutschland kamen wir dann zuerst in München an und blieben dort drei Tage lang in einer Flüchtlingsunterkunft. Hier habe ich mich erstmals wieder sicher gefühlt. Es war sehr schwer in München eine Wohnung zu finden, weshalb wir weiter gezogen sind. Wir kamen erst nach Berlin, aber wir wussten nicht was wir dort tun sollten, hatten keine Wohnung und auch kaum zu essen. Am Bahnhof halfen uns zwei Ehrenamtlich Helferinnen, zwei Junge Frauen, diesen beiden werde ich auf ewig Dankbar sein. Sie halfen uns eine Familie zu finden, bei der wir leben konnten. Diese wundervolle Familie in Liege, Belgien nahm uns sehr sehr herzlich auf, wir blieben dort eine Woche.
Wie sind sie von Liege nach Stolberg gekommen?
Wir fanden eine Wohnung in Stolberg-Breinig (a Village near Stolberg). Diese wurden von einer Gruppe/Firma zur Verfügung gestellt, welche Menschen aus der Ukraine helfen wollten. Der besitzer unserer Wohnung, sein Name ist Frank, ist ein wunderbarer Mensch der uns in seiner Wohnung leben lässt bis der Krieg vorbei ist. Er hat alles zu unserem neuen Wohnort gebracht: Von Kühlschrank bis Löffel. Wir haben vor Freude und Dankbarkeit viel geweint, weil wir nicht damit gerechnet haben, dass die ganze Welt uns helfen würde. Völlig Fremde Menschen gaben uns alles was wir brauchten. Ich und Meine Familie werden auf ewig Dankbar sein für alle Menschen in Deutschland, die uns halfen. Wir können uns überhaupt nicht vorstellen wie wir das geschafft hätten, ohne diese ganzen Leute, die uns bis heute helfen.
Was haben sie in der Ukraine getan, was war ihr Beruf?
Ich war eine Buchhalterin, aber ich habe noch eine weitere Ausbildung als Englischlehrerin. Als ich nach hier kam, habe ich begonnen deutsch zu lernen. Ich denke ich werde eine Ausbildung anfangen. Ich möchte Krankenpflegerin werden.
Das ist ein sehr wichtiger Beruf! Charkiw ist ja sehr weit im Osten der Ukraine, wie haben Sie sich gefühlt als die Russische Armee ja zuerst dorthin kam?
Das war furchtbar. Wir sind nah an Russland und daher war Charkiw ein großes Ziel für Russland. Es dauer mit dem Auto von meinem Haus ca 30 minuten bis zur Russischen Grenze. Es ist also sehr sehr nah. Als ich die Explosionen Hörte war das auf jeden Fall gruselig. Es ist unvorstellbar dass es in der heutigen Zeit, in diesem Jahrhundert noch solche Dinge getan werden, wir haben das nicht erwartet. Ich denke viele Leute in meinem Land haben das nicht wirklich erwartet. Es gab lange Zeit eine positive Beziehung zu Russland, ein eher familiäres Verhältnis zu Russen und Weißrussen. Daher war das extrem erschreckend. Als ich dann in den Nachrichten von den Grausamkeiten gelesen habe, war das für mich unvorstellbar, dass Menschen zu sowas in der Lage sind. Das waren nicht die Taten von Menschen. Das was sehr grausig für mich.
Das glaube ich, haben sie noch Verwandte in in der Ukraine?
Ja mein Mann befindet sich noch in der Ukraine. Er ist immer noch da. Das Ängstigt mich sehr. Ich habe große Angst um ihn.
Natürlich, das ist sicher sehr sehr schlimm. Was macht ihr Mann derzeit, wenn sie darüber sprechen möchten?
Er arbeitet immer noch dort. Er wollte auch fliehen, aber das ist derzeit sehr kompliziert.
Sie haben von ihrer Flucht nach Deutschland berichtet. Sind sie allein gereist oder mit ihrer Familie?
Mit meiner Familie, meinen Eltern, meinen Großeltern, meinen Schwiegereltern.
Leben sie alle heute in Stolberg?
Ja genau, wir sind alle zusammen hier.
Als Sie die Grenze nach Polen überquert haben, richtig?
Slovakei
...überquert haben, wie haben Sie sich da gefühlt? Während der ganzen Reise?
Zuerst war ich sehr verunsichert, was ich tun und wohin ich gehen sollte. Wir sind einfach losgefahren und hatten auch nur wenige Dinge dabei, nur wenig Geld, das war sehr beängstigend. Ich bin recht Jung und musste dabei natürlich nach meinem Großvater und meiner Mutter sehen, da beide gesundheitliche Probleme haben. Als wir die Grenze übertreten hatten und eine Nacht in der Slovakei übernachtet haben, war das die erste Nacht die ich mich sicher gefühlt habe und durchschlafen konnte. In der Ukraine konnte ich nicht gut schlafen, weil jede Nacht so viele Bomben explodiert sind. Viele Teile der Stadt sind dabei komplett zerstört worden. Besonders die Große Universität ist zerstört worden, an der ich selbst studiert habe.
Wie heißt die Universität an der Sie studiert haben?
Karazin Universität von Charkiw. Die Zentrale Universität
Noch ein paar weitere Fragen, bevor wir fertig sind. Was machen sie heute? Wie gefällt ihnen Stolberg?
Ich mag Stolberg und Deutschland gerne. Ich versuche hier zu leben und mich selbst zu finden. Meine Ausbildung als Buchhalterin ist hier nicht besonders gut, weil ich mich mit den deutschen Finanzsystemen nicht gut auskenne. Daher weiß ich dass ich für mich selbst etwas neues lernen muss, was mich verunsichert aber ich muss es versuchen. Dank der Volkshochschule kann ich Deutsch lernen, ich habe gerde die B1 Sprachprüfung geschafft. Ich und meine Familie fühlen uns sicher, wir haben genug zu essen und bekommen Geld von der deutschen Regierung, dass ist eine große Hilfe für alle Ukrainer. Ich denke dass alle Ukrainer hier, dankbar sind das sie so viel bekommen.
Was sind ihre Hoffnungen für die Zukunft?
Meine große Hoffnung ist das wir und millionen andere Ukrainer eines Tages zurück kehren können. Deutschland ist ein riesiges, schönes Land, aber die Ukraine ist mein Zuhause. Das ist Zuhause. Ich hoffe wirklich dass ich so schnell wie möglich mit meinem Mann zusammen wieder zurück in unser Haus kommen kann. Das ist mein großer Traum. Genauso wie der Traum vieler anderer Ukrainer.
Ich danke ihnen für das Interview. Ich wünsche ihnen alles alles gute für die Zukunft
Vielen vielen Dank